Millionen Betroffene suchen nach Auswegen aus der Stressfalle. Vor allem dann, wenn Körper und/oder Seele in Form von deutlich wahrnehmbaren Symptomen gegen den Raubbau protestieren. Dabei wissen Stressgeplagte oft ziemlich genau, was bei ihnen Stress auslöst und was sie tun müssen, um weniger gestresst zu sein. Einfach mal nein sagen, loslassen, anderen vertrauen, nachsichtig mit sich sein, sich besser organisieren, Sport treiben etc.: Das rettende Ufer ist nah - und doch so fern. Denn so sehr sie sich auch mühen: Die meisten scheitern, wenn es darum geht, ihr Denken und Verhalten im Sinne von mehr Selbstfürsorge nachhaltig zu verändern. Zudem führt das Scheitern oft zu Frust und damit zu zusätzlichem Stress.
Warum fällt es uns so schwer, das zu tun, von dem wir instinktiv wissen, dass es das Richtige ist? Im Grunde ist es wie bei einem Computer, der mit veralteter Software arbeitet: Unsere "Programmierung" ist veraltet und benötigt ein Update. Denn unser individuelles Stressempfinden geht häufig auf Programmierungen zurück, die wir bereits im Kindesalter übernommen haben. Ob Perfektionismus, übersteigerte Wünsche nach Beliebtheit, Kontrolle oder Unabhängigkeit sowie absolutistischer Durchhaltewille: Alle diese sogenannten Stressverstärker können seit langem Teil unserer Software sein, mit der wir durchs Leben steuern - und damit auch für unser individuelles Stressempfinden maßgeblich verantwortlich sein.
Wer seine als falsch erkannten Denk- und Verhaltensroutinen durchbrechen will, muss seine Software verändern. Und das geht nun einmal leider nicht auf Knopfdruck wie bei einem Computer. Vielmehr wehrt sich das Gehirn gegen einschneidende Veränderungen: Das neue Verhalten ist neurobiologisch noch nicht angelegt. Um es anzubahnen, benötigen Sie eine starke gefühlsmäßige Beteiligung und die Erfahrung, dass das neue Verhalten nicht gefährlich ist. Dazu müssen Sie es im Kleinen erst vielfach erproben, um es dann an der Stressfront umzusetzen. So wird ein Kontrollfreak niemals von heute auf morgen in der Lage sein, anderen zu vertrauen. Vielmehr müssen Betroffene in einem Fall mit niedrigem Risiko das Loslassen erst ausprobieren und die Risikodosis und Frequenz allmählich steigern, um das neue Denken und Verhalten durch die Selbsterfahrung zu verankern. Erst dann lassen sich dieser und andere Stressverstärker entschärfen. Die gute Nachricht: Auch kleine Schritte bedeuten Fortschritt, der sich auf dem Stresskonto positiv bemerkbar macht.
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